Samstag, 21. September 2024
Die Nacht der Debüts
Wir lieben Anfänge!
Herzlich willkommen zu unserer zweiten «Nacht der Debüts» in der Theaterwerkstatt Gleis 5!
Ein Format, das genau das richtige für uns ist: Denn wir lieben Anfänge, Newcomerinnen und natürlich gute Geschichtenerzähler. Also seien Sie unbedingt dabei, wenn vier junge literarische Stimmen aus Deutschland und der Schweiz uns ihre Geschichten lesen und erzählen.
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Mariann Bühler – «Verschiebung im Gestein» (Atlantis)
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Özlem Çimen – «Babas Schweigen» (Limmat)
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Anne Freytag – «Lügen, die wir uns erzählen» (Kampa)
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Micha Lewinsky – «Sobald wir angekommen sind» (Diogenes)
Wobei: so richtige Anfänge und Anfänger gibt es ja eigentlich gar nicht. «Jede Geschichte beginnt lange bevor sie anfängt», schreibt Thomas Hettche und das gilt für eine Erzählung ebenso wie für das Schreiben selbst. Im Grunde ist alles ein Ausschnitt aus etwas Größerem. Das Werk, das Buch mag einen Anfang haben und ein Ende, der Prozess des Schreibens aber hat ihn nicht. Und so stehen natürlich auch unsere Autorinnen und Autoren nicht am Anfang ihres Schreiberlebens, sondern blicken auf unterschiedliche literarische Erfahrungen zurück. Wir sind gespannt auf die Gespräche und freuen uns auf Ihren Besuch!
Ticketpreise
Kombiticket Lesungen A und B: Fr. 35.- / 30.-*
Lesungen A: Fr. 20.- / 15.-*
Lesungen B: Fr. 20.- / 15.-*
*Vereinsmitglieder und in Ausbildung
Zeit
18 bis 22 Uhr
Konzeption
Judith Zwick
Moderation
Judith Zwick
Cornelia Mechler
Marianne Sax
Kooperationspartner
Lesefeld e.V. Frauenfeld
Programm
Lesungen A
18:00 bis 19:30 Uhr
Mariann Bühler
«Verschiebung im Gestein» (Atlantis)
Özlem Çimen
«Babas Schweigen» (Limmat)
Pause: Bar, Baguettes und Büchertische
Lesungen B
20:00 bis 21:30 Uhr
Anne Freytag
«Lügen, die wir uns erzählen» (Kampa)
Micha Lewinsky
«Sobald wir angekommen sind» (Diogenes)
Ausklang an der Bar
Die Autor:innen und ihre Geschichten
Mariann Bühler
Mariann Bühler, geboren 1982 in der Nähe von Luzern, hat in Basel und Berlin Englische Literatur¬ und Sprachwissenschaft, Islamwissenschaft und Gender Studies studiert. Sie lebt als Autorin, Literaturvermittlerin und Veranstalterin in Basel. Verschiebung im Gestein ist ihr Romandebüt; für einen Auszug aus dem Manuskript wurde sie mit dem Zentralschweizer Literaturpreis ausgezeichnet.
«Verschiebung im Gestein» (Atlantis, erschienen im Juli 2024)
Lange hat draußen das Schild »Bis auf Weiteres geschlossen« gehangen, bis Elisabeth die Entscheidung trifft, die Bäckerei weiterzuführen. Sie allein. Jeden Morgen feuert sie an, rührt den Teig, schiebt die Brote in den Ofen – und überrascht das ganze Dorf und sich selbst dazu. In derselben Gegend Alois’ Hof. Ein Hof, seit Generationen in Familienbesitz, Alois wurde nicht gefragt, ob er ihn übernehmen wollte. Er lebt mit dem Hund, überhört die Erwartung, eine Familie zu gründen – aber etwas schnürt sich zu. Vielleicht hat das mit Camenzind zu tun. Unterdessen kehrt eine junge Frau ins Dorf zurück; die drei Stufen zur Bäckerei laufen sich wie von selbst. Bei den Großeltern holt sie den Schlüssel zum Sommerhaus, es soll verkauft werden. Sie sieht alles wieder, den Bergkamm, das Tal, den Balkon mit der Zugbrücke. Bald, so scheint es ihr, beginnt das Haus mit ihr zu sprechen.
Der Roman verfolgt drei Figuren, die nichts voneinander wissen und doch verbunden sind – durch die Gegend, das Dorf und die drängende Frage, wie es eigentlich weitergehen soll. Hartnäckig haben sich in ihnen weitläufige Spuren von Vergangenem festgesetzt, aber dann gerät doch etwas in Bewegung. In ihrem sprachlich dichten Debüt beobachtet Mariann Bühler, wie Veränderung sich ihren Weg sucht und Verschiebungen passieren, die so nie vorgesehen waren, die zuweilen sogar Berge versetzen.
Photo: Ayse Yavas
Özlem Çimen
Özlem Çimen, geboren 1981 und aufgewachsen in Luzern, lebt mit ihrer vierköpfigen Familie in Zug. 2012 schloss sie den Master in Education in Special Needs an der Pädagogischen Hochschule Luzern ab und ist als Heilpädagogin im Kanton Luzern tätig.
«Babas Schweigen» (Limmat, erschienen im März 2024)
Die Erzählerin Özlem reist als Erwachsene mit ihrem Ehemann in das ostanatolische Dorf, in dem sie als Kind unbeschwerte Sommerferien bei den Grosseltern verbrachte. Beiläufig erwähnt ihr Onkel, dass der Ort einst von Armenier:innen bewohnt war. Erst jetzt wird ihr bewusst, dass ihre Grosseltern, selbst Angehörige einer Minderheit, nicht schon immer in diesem Dorf lebten. Doch wie hängt ihre Familiengeschichte mit dem Genozid an den Armenier:innen zusammen?
Wie aus einem tiefen Schlaf erwacht, beginnt sie zu forschen, bis sie endlich den Mut fasst, ihren Vater mit der Vergangenheit zu konfrontieren. Die vagen Ahnungen der Kindheit – die unerklärbare Melancholie der Menschen im Dorf, die Geschichten über den roten Fluss – verdichten sich zunehmend zu einer schrecklichen Erkenntnis über Verfolgung und den Verlust von Sprache und Kultur. Subtil und berührend verwebt Özlem Çimen dabei Vergangenheit und Gegenwart zu einer einzigartigen Geschichte über Unschuld, Unterdrückung und Überleben.
Photo: Ayse Yavas
Anne Freytag
Anne Freytag hat International Management studiert, ist pünktlich zur Wirtschaftskrise fertig geworden, hat über einhundert Bewerbungen geschrieben, keinen Job gefunden, eine Weile in einer Boutique gearbeitet, sich arbeitslos gemeldet, zur Grafikdesignerin umgeschult, sich als Quereinsteigerin mit mieser Bezahlung in diversen Agenturen anstellen lassen und ist dann endlich ihrem Traum nachgegangen: Seit 2013 widmet sie sich ganz dem Schreiben. Für ihre Jugendbücher wurde sie mehrfach für Literaturpreise nominiert (u.a. zwei Mal in Folge für den Deutschen Jugendliteraturpreis) und damit ausgezeichnet (u.a. mit dem Bayerischen Kunstförderpreis in der Sparte Literatur). Anne Freytag lebt und arbeitet in München. «Lügen, die wir uns erzählen» ist ihr literarisches Debüt.
«Lügen, die wir uns erzählen» (Kampa, erschienen im März 2024)
Helene hätte ihren Mann verlassen sollen. Für Alex. Aber sie hat es nicht getan. Und jetzt hat ihr Mann sie verlassen – weil er sich in eine andere verliebt hat. »Es ist einfach passiert.« Mit diesem Satz zerreißt Georg das Gefüge, das Helene immer versucht hat zusammenzuhalten. Aber vielleicht ist das Ende gar kein Ende? Vielleicht ist es ein Anfang. Etwas, das Helene gebraucht hat, um sich aus dem gesellschaftlichen Korsett zu befreien, aus ihren ewigen Versuchen, den Bildern einer Frau zu entsprechen: als Ehe- und Karrierefrau, als Mutter und Tochter …
Was bedeutet es eigentlich, eine Frau zu sein? Diese Frage begleitet Helene, während sie beginnt, ihren eigenen Weg zu gehen.
Photo: Studio Tasca
Micha Lewinsky
Micha Lewinsky, geboren 1972 in Kassel, ist Drehbuchautor und Filmregisseur, u. a. von ›Der Freund‹ (Schweizer Filmpreis), ›Die Standesbeamtin‹ und ›Moskau einfach!‹. Für Kinder hat er das Buch ›Holly im Himmel‹ geschrieben, die Ohrewürm erfunden und produziert Kinderlieder-Alben. Zurzeit arbeitet Micha Lewinsky an einem neuen Kinofilm und an einem zweiten Holly-Abenteuer. Er lebt mit seinen beiden Kindern in Zürich.
«Sobald wir angekommen sind» (Diogenes, erschienen im Juli 2024)
Ben Oppenheim balanciert zwischen Ex-Frau, zwei Kindern und seiner Liebe zu Julia. Er hat Rückenschmerzen und Geldsorgen – sein neustes Drehbuch scheint niemanden zu interessieren. Aber was ihn wirklich beunruhigt, ist der Krieg in Osteuropa. Ben fürchtet sich vor einem Atomschlag. Getrieben vom jüdischen Fluchtinstinkt steigt er eines Morgens kurzerhand in ein Flugzeug nach Brasilien. Mitsamt Ex-Frau und Kindern. Doch das Exil fühlt sich an wie ein falscher Familienurlaub – und Julia ist weit weg.
Photo: Doris Fanconi